Wann ist eine Psychotherapie sinnvoll?

- 10. November 2021

 

Kleine Macken, seltsam anmutende Angewohnheiten, seelische Verstimmungen und auch ernste psychische Erkrankungen sind heute in vielen Kreisen glücklicherweise kein Tabuthema mehr. Doch gerade jetzt, wo uns die Vielfalt solcher Probleme bewusst ist, drängt sich für viele die Frage auf: Ab wann ist so etwas behandlungsbedürftig? Brauche auch ich eine Therapie?

 

Wann benötigt es eine Psychotherapie? Tatsächlich ist das gar nicht so einfach zu sagen. Den Richtlinien zufolge ist eine psychotherapeutische Behandlung dann sinnvoll, wenn eine seelische Krankheit vorliegt. Eine solche zu diagnostizieren ist Aufgabe von geschulten psychologischen Psychotherapeut:innen oder Ärzt:innen, die sich dabei an international gültigen und verbindlichen Richtlinien orientieren.

Erste Anhaltspunkte. Wer bereits mit dem Gedanken spielt, sich professionelle Hilfe zu suchen, kann diesem Instinkt in der Regel vertrauen. Zwei Faktoren sind allerdings besonders entscheidend und spielen auch bei der Diagnosestellung eine Rolle: Funktionsbeeinträchtigung und persönlicher Leidensdruck.
Was ist damit gemeint? Denken Sie einmal an die weit verbreitete Angst vor Spinnen. Auch wenn diese Angst in vielen Fällen sehr ausgeprägt ist, begeben sich bei weitem nicht alle Betroffenen in eine Therapie. Es besteht nämlich ein großer Unterschied darin, wie stark die Angst Betroffene in ihrer alltäglichen Lebensführung beeinträchtigt und wie sehr sie insgesamt darunter leiden. So könnte es sein, dass ein und dieselbe Person in einer Wohnung in der Stadt, in der sie nie einer Spinne begegnet, ihre Angst so gut wie vergessen kann, während die Angst sie in einem alten Landhaus mit Spinnen in jeder Ecke bis an den Rand ihrer Kräfte treiben würde.

Weitere Hinweise. Auch wenn einer der folgenden Punkte auf Sie zutrifft, sollten Sie in Betracht ziehen, sich nach professioneller Hilfe umzusehen:

•    Sie sind überfordert und haben das Gefühl, alleine nicht mehr weiterzukommen.

•    Sie können Ihren Alltag nicht mehr bewältigen und erfahren immer mehr Einschränkungen in Ihrer Lebensführung.

•    Sie haben wiederkehrende Probleme im Beruf oder in Beziehungen zu anderen Menschen.

•    Sie haben anhaltende oder wiederkehrende körperliche Beschwerden, für die Ihre Ärzte keine Erklärung finden können.

•    Bei Ihnen häufen sich Beschwerden wie Schlaf- und Konzentrationsstörungen, Gedächtnisprobleme, Motivations- und  Interessensverlust.

•    Ihr Umfeld macht sich um Sie Sorgen.

•    Und besonders wichtig: Sie fühlen sich lebensmüde und denken häufig an den Tod.

Wie geht es dann weiter? Vor Behandlungsbeginn können Patient:in und Therapeut:in einander in einer sogenannten psychotherapeutischen Sprechstunde kennenlernen. Dort können Sie gemeinsam klären, ob ein Verdacht auf eine psychische Krankheit vorliegt und evaluieren, was für Ihren spezifischen Fall nötig und hilfreich sein könnte und ob Sie eine psychotherapeutische Behandlung einleiten wollen.

Falls Sie sich nicht direkt an eine Therapeutin oder einen Therapeuten wenden wollen, können Sie auch zuerst mit Ihrer Hausärztin, Ihrem Hausarzt, einer Beratungsstelle oder einer Krisen-Hotline sprechen.

Bin ich überhaupt krank genug? Haben sie erst einmal einen Therapieplatz sicher, werden viele Patient:innen von Sorgen und Zweifeln geplagt. So befürchten manche, sie würden die Behandlung gar nicht „verdienen“ und anderen, schwerer Erkrankten den Platz wegnehmen. Tatsächlich ist es so, dass viel zu wenige Menschen den Weg zu einer Therapie finden, die sie eigentlich dringend bräuchten. Im Schnitt liegt die Zeitspanne zwischen Ersterkrankung und therapeutischer Behandlung bei etwa sieben Jahren. Viele warten so lange, dass sich die Symptomatik verschlechtert, chronifiziert und komorbide, also weitere Störungen auftreten. Die Folge sind eine längere Behandlungsdauer, vermehrte stationäre Behandlungen und somit erhöhte Kosten für Patient:innen und Gesundheitssysteme. 

Sie helfen also niemandem damit, aus Rücksichtnahme abzuwarten und auf eine Therapie zu verzichten. Je früher Sie den mutigen Schritt wagen, Hilfe in Anspruch nehmen, desto besser sind Ihre Chancen auf eine baldige und nachhaltige Heilung. Wenn Sie sich dafür interessieren, wie eine ambulante Psychotherapie abläuft, dann können Sie dies in einem früheren Blogartikel nachlesen.

 

 


 

 

 

Das könnte Sie auch interessieren: