Wie psychische Krankheiten entstehen: Das Vulnerabilitäts-Stress-Modell

- 11. Juni 2021

 

Das Vulnerabilitäts-Stress-Modell wird vor allem in der Klinischen Psychologie angewendet, um die Entstehung und Aufrechterhaltung von psychischen Krankheiten zu erklären.

 

Vulnerabilität beschreibt hier die genetisch oder biografisch erworbene Anfälligkeit einer Person, eine psychische Krankheit zu entwickeln. Stress meint in diesem Modell belastende Umweltereignisse oder Lebenssituationen. Bei der Entstehung von psychischen Krankheiten spielen diese Faktoren beide eine Rolle – wie genau sie zusammenspielen, erklärt dieser Blogbeitrag.

Die individuelle Anfälligkeit oder Vulnerabilität wird oft sinnbildlich mit einem Fass beschrieben, das von Person zu Person unterschiedlich viel Fassungsvermögen hat. Den Stress kann man sich vorstellen wie das Wasser, das in das Fass hineinfließt. Stress kann durch private Umstände, berufliche Angelegenheiten oder soziale Belastungen ausgelöst werden. So können beispielsweise eine Kündigung oder ein Umzug zu einer erhöhten Belastung der betroffenen Person führen.

Stellen Sie sich beispielsweise einmal Frau Müller vor. Sie hat eine geringe Anfälligkeit, das heißt ihr Fass kann ziemlich viel Wasser aufnehmen. Dadurch kann sie Zeiten mit mehr Stress gut aushalten, ohne eine Erkrankung zu entwickeln. Anders sieht es wiederum bei Frau Schmidt aus. Sie hat eine hohe Anfälligkeit, das heißt ihr Fass läuft schneller über: sie ist vor allem in Stress-Situationen anfällig für psychische Krankheiten. Frau Müller scheint also belastbarer als Frau Schmidt zu sein, aber auch ihr Fass kann überlaufen, wenn sie besonders viel Stress erlebt.

Menschen, die unter einer psychischen Krankheit leiden, haben wie Frau Schmidt häufig eine höhere Anfälligkeit bzw. eher geringes Fassungsvermögen. So können zum Beispiel eine genetische Veranlagung für psychische Krankheiten in der Familie oder belastende Ereignisse in der Lebensgeschichte wie Missbrauchs-, Vernachlässigungs- oder Gewalterfahrungen die Anfälligkeit einer Person erhöhen. Wenn dann verschiedene Stressfaktoren dazukommen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich ihr psychischer Gesundheitszustand verschlechtert bzw. das Fass überläuft

Menschen können ihre Anfälligkeit oder Vulnerabilität selbst aktiv beeinflussen und lernen, mit Stress besser umzugehen und somit eine Art „Überlaufschutz“ für das Fass zu schaffen. Eine bedeutende Rolle spielt dabei die seelische Widerstandskraft, die in der Psychologie als Resilienz bezeichnet wird und wie ein Schutz gegen Stress funktioniert. Sie kann helfen, Stress gezielt zu regulieren und damit der Entstehung von psychischen Erkrankungen vorbeugend entgegenwirken. Um diese Resilienz zu fördern, kann man zum Beispiel üben, wie man sich besser entspannen kann. Eine andere Möglichkeit kann es sein, sich soziale Unterstützung in seinem Umfeld, also bei Freunden oder der Familie zu suchen oder seine Resilienz durch die aktive Ausübung von Hobbies zu stärken. Wenn bereits eine psychische Erkrankung vorliegt, kann Psychotherapie mit verschiedensten Methoden dabei helfen, Resilienz zu fördern und Stress nach und nach abzubauen.

Das Vulnerabilitäts-Stress-Modell kann also erklären, warum manche Menschen psychische Erkrankungen bekommen und andere nicht. Zusätzlich kann es aber auch Ideen für Maßnahmen liefern, die das Risiko für eine psychische Krankheit verringern. Auch in den Online-Lektionen von PSYCHOnlineTHERAPIE wird mit diesem Modell gearbeitet und Sie können lernen, sich selbst und Ihre Erkrankung besser zu verstehen.

 


 

 

 

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