Therapeutische Beziehung on- und offline 

- 09. Februar 2021

 

Während früher die Idee einer digitalen Psychotherapie (z.B. videobasiert oder mit Hilfe von Selbsthilfe-Online-Sitzungen) noch von einem Großteil der Fachwelt als unrealistisches Zukunftsszenario abgetan wurde, bieten mittlerweile digitale Angebote eine Vielzahl an Möglichkeiten zur Unterstützung der psychotherapeutischen Versorgung und erfahren zunehmend Aufmerksamkeit durch Medien sowie Therapeut:innen.
Trotz der steigenden Akzeptanz gibt es viele Bedenken. Dazu gehört unter anderem die Fragestellung, ob auf verschiedensten digitalen Kommunikationswegen (Telefon, Video etc.) überhaupt eine belastbare therapeutische Beziehung aufgebaut werden kann. Dabei ist die therapeutische Beziehung vor allem während des letzten Jahrzehnts in den Fokus gerückt und wird als wesentlicher Faktor für den Erfolg der Psychotherapie angesehen. Eine gute und tragfähige therapeutische Beziehung wird mit 7 bis 15 % der Behandlungsfortschritte in Verbindung gebracht. Wichtige Merkmale einer guten therapeutischen Beziehung aus Patient:innensicht sind vor allem Vertrauen, Sympathie, ein respektvoller Umgang und ein lösungsorientiertes Vorgehen. 
Bezogen auf digitale Psychotherapie ist nun häufig die Befürchtung, dass sich die therapeutische Beziehung reduzieren und dabei eine unpersönlichere und instabilere Verbindung zwischen Therapeut:in und Patient:in entstehen könnte. Die Sorgen um den Aufbau einer digitalen Beziehung betreffen vor allem befürchtete Schwierigkeiten dabei, die Emotionen des Gegenübers adäquat zu erfassen (Mimik und Gestik in chat- und videobasierten Therapiesitzungen), aber auch Probleme, die aufgrund von Netzwerkstörungen auftreten können.

 

 

Eine onlinebasierte Psychotherapie könnte jedoch auch dazu führen, dass sich Patient:innen im digitalen Therapiesetting mehr Selbstverantwortung zuschreiben und aktiv mehr zum Therapieverlauf beitragen möchten. Außerdem kann es dem/der Patient:in im Rahmen einer digitalen Therapie leichter fallen, offen von Problemen und persönlichen Angelegenheiten zu berichten, da Gefühle wie Scham möglicherweise eine kleinere Rolle spielen. Des Weiteren erreicht man aufgrund dieser Therapieform auch Patient:innen, die gerade aufgrund ihrer Erkrankung kaum das Haus verlassen können wie es zum Beispiel bei einer Agoraphobie oder manchen Zwangsstörungen vorkommen kann. 
Betrachtet man die Seite des/der Therapeut:in, dann könnten aufgrund dieser Therapieform ebenfalls sogar diagnostische Vorteile entstehen, denn dem/der Therapeut:in können bei videobasierter Therapie Einblicke in die Lebenswelt und häusliche Umgebung des Patienten (z. B. häusliche Ordnung, Haustiere, Geräuschkulisse) ermöglicht werden. 
Zu beachten ist jedoch, dass in der digitalen Therapie die Beziehung zwischen dem/der Therapeut:in und dem/der Patient:in zusätzlich von anderen Faktoren beeinflusst wird. So kann sich je nach Art der Kommunikation z.B. die Synchronität (Patient:in und Therapeut:in kommunizieren zeitgleich; asynchron: Patient:in und Therapeut:in kommunizieren zeitversetzt), die Form (etwa schriftlich per E-Mail oder mündlich per Video) und die Anzahl verfügbarer verbaler (z. B. Stimme) und non-verbaler (z. B. Körperhaltung) Hinweisreize unterscheiden. 
Schlussendlich lässt sich sagen, dass sich in zahlreichen Studien gezeigt hat, dass es auch in der digitalen Psychotherapie bzw. psychotherapeutischen Versorgung möglich ist, eine stabile und positive Beziehung aufzubauen. Diese Ergebnisse machen wir uns bei PSYCHOnlineTHERAPIE zu Nutze und kombinieren die psychotherapeutische Behandlung gemäß der Routineversorgung mit Online-Sitzungen, um somit eine flexible und individuell angepasste Therapie zu gewährleisten. 

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Quellen: 
Knaevelsrud, C; Jager, J; Maercker, Andreas (2004). Internet-Psychotherapie: Wirksamkeit und Besonderheiten der therapeutischen Beziehung. Verhaltenstherapie, 14:174-183. DOI: https://doi.org/10.1159/000080913 

 

Steinhoff, M., Steubl, L., & Baumeister, H. (2020). Social Distancing oder Emotional Closeness? Die therapeutische Beziehung in digitaler Psychotherapie. Familiendynamik, 45 (4), 318–327. DOI 10.21706/fd-45-4-318 
 


 

 

 

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